Endlich war es soweit: Nachdem wir den Vortrag von Kunstturnerin Ariella Käslin aufgrund der COVID-Pandemie mehrmals verschieben mussten, hat es doch noch geklappt.
In ihrem Vortrag erzählte Ariella Käslin vor allem von den Schattenseiten ihres Sports, von denen man sonst nicht viel hört. In ihrer Jugend interessierte sich Ariella nicht nur fürs Kunstturnen, sondern auch fürs Wasserskifahren. In beiden Sportarten war sie äusserst erfolgreich. Mit 13 Jahren entschied sie sich fürs Kunstturnen und zog nach Magglingen. Von nun an waren ihre Tage und Wochen durchgetaktet: 30 Stunden Training pro Woche und daneben Schule - aber keine Ferien. Denn nach 2 Wochen Ferien wäre ein 3monatiger Aufbau nötig gewesen, um das vorherige Niveau zu erreichen.
In Magglingen herrschte ein strenges Regime: Regelmässige Gewichtskontrollen waren an der Tagesordnung. Wer zuviel Gewicht auf die Waage brachte, musste es runterschwitzen und bekam die abschätzigen Kommentare des Trainers zu hören. Eine Ernährungsberatung gab es für die Athletinnen nicht. Was zur Folge hatte, dass Ariella Käslin zu wenig ass und immer Hunger hatte und fror. Trotzdem entwickelte sie sich schnell zur besten Schweizer Kunstturnerin. Mit Ariellas Erfolg stiegen auch die Ansprüche ihres Umfeldes an sie. Sie versuchte, allen gerecht zu werden, was bei ihr zu einer Erschöpfungsdepression führte. 2011 gab sie deswegen den Rücktritt.
Der Übergang ins normale Leben gestaltete sich aber ebenso schwierig. Weil sie nun nicht mehr Kunstturnerin war, verlor sie ihre Identität, ihr soziales Umfeld, ihre Tagesstruktur. Die grösste Schwierigkeit war für sie die Ernährungsumstellung: Se wusste nicht, wie sie sich richtig ernähren sollte, welche Mengen sie einkaufen sollte und welche Schokolade sie gerne ass. Das fand sie heraus, indem sie einfach alle Schokoladen durchprobierte.
Heute ist Ariella Käslin eine neue Persönlichkeit, die den Übergang in ein neues Leben erfolgreich gemeistert hat. Mit 26 Jahren machte sie die Erwachsenenmatur und studierte Sportwissenschaft, Psychologie und Physiotherapie. Und auch dem Sport ist sie treu geblieben, wobei sie heute vor allem Ausdauersportarten betreibt.
